Portrait

Jonas Grätzer – Zwischen Impuls und Struktur, zwischen Klang und Haltung

Man hört es, bevor man es versteht: Wenn Jonas Grätzer spielt, spricht das Schlagzeug. Es flüstert, es fordert heraus, es zieht Linien in die Luft – manchmal scharf wie ein Messer, manchmal weich wie ein Erinnerungsfetzen. Immer bleibt spürbar: Hier sitzt jemand hinter dem Set, der nicht einfach spielt, sondern forscht. Der nicht reproduziert, sondern aufspürt. Der zuhört – und in den Klang hinein antwortet.

Jonas ist Jazz-Schlagzeuger. Doch dieses Wort greift nur annähernd. So sehr ihn die Tradition des Jazz prägt, so sehr lebt seine Musik vom Überschreiten dieser Grenzen. Sein Spiel ist verwurzelt in der afroamerikanischen Jazztradition, reicht aber weit darüber hinaus: in improvisierte Musik, klangliche Experimente und die Frage, was Musik im Moment bedeuten kann.

Geboren mit einem tiefen inneren Drang zur Musik, führte sein Weg früh ans Schlagzeug – und von dort in viele Richtungen. Nach seinem Studium an der Folkwang Universität der Künste in Essen spielte er in unterschiedlichsten Formationen: von akustischem Modern Jazz über experimentelle Kollektive bis zu genreübergreifenden Projekten mit Elektronik, Sprache oder Visuals. Was all diese Projekte verbindet, ist dasselbe Bedürfnis: eine eigene, ehrliche Sprache zu entwickeln. Eine Musik, die atmet – gemeinsam mit den Menschen, die sie gestalten.

Inzwischen studiert er im Dr. Langner Jazz-Master an der HfMT Hamburg und erkundet in seinen aktuellen Projekten, etwa dem Jonas Grätzer Quartet mit Julian Eingang, Will Rees-Jones und Moritz Schöwing, das Wechselspiel zwischen Form und Freiheit. Die Musik ist rhythmisch komplex, doch nie verkopft; strukturiert, ohne statisch zu sein. Vergleichbar mit Bands wie The Bad Plus oder GoGo Penguin, doch immer mit eigener Note: melancholisch, körperlich, hellhörig.

Jonas arbeitet gern in Zwischenräumen – zwischen Notation und Intuition, Tradition und Jetzt.

Seine Haltung ist klar: Musik ist kein Selbstzweck. Sie ist ein Mittel, sich mit der Welt zu verbinden – mit anderen, mit sich selbst, mit etwas Größerem.

Was er sucht, ist kein fertiger Sound, kein Produkt. Sondern eine Haltung.

Clara Neumann 15. Juli 2025